|
Auch auf der letzten Etappe, zurück ins Bayerische, blieb
Matthä Hofmann das Pech treu
Beharrlicher Begleiter blieb dem Pfullendorfer Malergesellen
Matthä Hofmann auch auf seiner letzten Etappe seiner Wanderschaft das
Pech, keine Arbeit zu finden. Dies traf den von vielen Hungertagen
Geschundenen umso härter, als er somit auch weiterhin darauf
angewiesen war, ab und an ein Stückchen Brot zugesteckt zu bekommen.
Der Hunger plagte ihn indes auf seinem Weg zurück ins Bayerische
ebenso wie die nicht nachlassende Kälte. Auch wenn der Pfullendorfer
Malergeselle Matthä Hofmann in seinem Tagebuch die Erlebnisse seiner
Wanderschaft oft nur in dürren Worten aneinander gereiht hat, so wird
doch - möglicherweise sogar wegen dieser einfachen Sprache - ein
eindringliches Bild der sozialen Welt um die Jahrhundertwende gezeichnet.
Dies war in den drei vorausgegangenen Folgen so und dies ist nicht anders
in der letzten Folge, die der SÜDKURIER aus den bislang
unveröffentlichten Blättern zusammenstellte, auch wenn am
Schluß eine Art Happy-End steht.
"Am 24. Februar zog ich fort über Freiberg (Herberge Bitterhof) dann
über Frankenberg nach Chemnitz, wo ich ein paar Tage vergebens mich
nach Arbeit umschaute. Am 1. März bei allerschlechtestem Wetter zog
ich allein wieder weiter, denn in der Stadt konnte ich nicht suchen. Um
den Hunger zu stillen, mußte ich fort über Lichtenstein nach
Zwickau, unterwegs aber lag ich ein paarmal erschöpft durch Gegenwind
und Schneegestöber, im Schnee neben der Straße. In einem Falle
hob mich ein des Wegs kommender Handwerksbursche auf und führte mich
in das nahegelegene Dorf in ein Wirtshaus und bat für mich, daß
man mich kurze Zeit am Ofen mich erwärmen ließe; aber umsonst!
Durfte aber schließlich doch im Hausflur, wo es zügig und kalt
war, mich auf ein leeres Fäßchen setzen. Der Wirt reichte mir
dazu ein Gläschen Kartoffelschnaps, der meine Lebensgeister etwas
erweckte. Dann zog ich wieder meiner Wege. Nach einem Marsch von etwa
einer Stunde sah ich undeutlich in der Ferne Häuser und freute mich
darauf, vielleicht mich wärmen zu können. Es waren Ziegeleien
mit Arbeiterhäusern. Ich sah, wie diese Leute durchs Fenster dem
Schneetreiben zuschauten. Wie ich am ersten Haus zur Haustüre kam -
schnell war innen der Riegel vor -. So auch im zweiten und dritten Haus,
wo man mich ebenfalls an den Fenstern auslachte. Ganz durchfroren zog ich,
so gut es ging, eben wieder weiter meinem Ziele entgegen, nicht aber ohne
noch einige Mal im Schnee gesessen oder gelegen zu sein! Endlich kam ich
in der Herberge an, wo ich völlig entkräftet am heißen
Ofen zusammenbrach. Hier gabs als Naturalverpflegung einen halben Hering
mit zwei gesottenen Kartoffeln, welche zwar gut mundeten, aber nicht satt
machten. Dann gings zum schlafen auf den Dachboden, wo circa 30 Betten
standen, sie wurden fast alle an diesem Abend besetzt; sie waren aber
furchtbar schmal und dürftig. Am folgenden Morgen waren alle Betten
mit Schnee verweht, auf meinem lag ganz besonders viel Schnee, weil die
Bettstatt zu kurz für mich war, hatte ich im Schlafe eine Dachlatte
hinausgestoßen! Der Herbergswirt verlangte nun von mir Bezahlung
für den angerichteten Schaden. Ich konnte ihm aber nur darauf
antworten, er solle mich doch auf den Kopf stellen, vielleicht falle etwas
aus den Taschen! Ich zog nun wieder ab über Werdau nach Reichenbach
und Mylau-Elsterberg. Hier kam ich nun wieder in die Gegend, die ich auf
meiner Hinreise schon berührt hatte. Von dort ging es wieder nach
Plauen im Vogtland. Hier gab es freies Übernachten. Nun bemerkte ich,
daß auf der Polizeiwache, auf der die Karten hierzu verausgabt
wurden, die Namen für jede der drei Herbergen, in welche verlangt
wurde, extra in ein Buch eingetragen wurden. Daher verlangte ich dieses
Mal in eine andre und gab einen anderen Ausweis ab, wo umsonst nach dem
Stempel geforscht wurde, sonst hätte ich die Karte nicht erhalten.
Nun ging es über Größzöbern der bayerischen Grenze
zu. Hier gab es aber noch als Verpflegung eine Portion Suppe, wozu die
Karten hierzu bei einem Schmiedmeister verabreicht wurden. Um aber sicher
zu gehen, diese nochmals zu bekommen, auf meiner ersten Durchreise habe
ich sie schon geholt, wartete ich den Glockenschlag Zwölf ab, in der
Annahme, daß der Schmied nicht mehr Zeit nimmt, meinen Namen in
seinem Eintrag zu suchen und es glückte!
Endlich kam auch die ersehnte Grenze von Bayern. Ich war herzlich froh,
den sächsischen Grenzpfahl hinter mir zu haben! Es gab wohl in den
Sächsischen und Türingeschen Landen so manches Schöne zu
sehen, habe auch vieles erlebt, doch auch manches Leid erfahren in Wind
und Wetter, bei knurrendem Magen und auch der Menschen halbes Herz. Ich
erreichte nun wieder Hof an der Saale. Hier vereitelte leider ein
unglücklicher Umstand Arbeit zu bekommen. Auf der Polizeiwache im
Rathaus holte ich nun auch wieder das Ortsgeschenk, es gab hier 20 Pfennig
in Silberstücken. Auf der Wache wurde ich sogar belobt über
meinen sauberen Anzug und so weiter trotz meiner langen und weiten Reise.
Ich dachte dabei, wenn Ihr wüßten, daß ich das Geschenk
zum zweiten Mal habe, fiele das Urteil wohl anders aus. Hier wieder fort
über Kirchenlammitz und Weissenstadt nach Gefress beziehungsweise
nach Berneck, Goldkronach, Nemersdorf, Bayreuth, Breußner,
Schnabelerwid, Pegnitz, Burgoldstein, Gräfenberg, Forth, Neunkirchen.
Seit Hof war es teilweise bergig; doch kam der Magen wieder etwas zu
seinem Recht. Doch überall lag noch sehr viel Schnee. Auch hatte ich
viel zu leiden durch die erfrorenen, stark geschwollenen und offenen
Hände. Nun kam ich nach Erlangen. Von hier ging es nach Fürth,
dann nach Nürnberg. Hier in dieser altertümlichen schönen
Stadt könnte ich mich sofort heimisch fühlen. Ich gab mir daher
alle Mühe Arbeit zu erhalten, dies um so mehr, weil in meinem Berufe
schöne Arbeiten hier ausgeführt werden. Aber überall wurde
ich aufgrund des noch schlechten Wetters auf besseres Wetter
vertröstet! Also war ich auch hier vom Unglück verfolgt! Ich
nahm mir dennoch vor, bei Eintreten besseren Wetters wieder hierher
zurückzukehren und reiste ab am 15. März über Hersbruck-
Sulzbach, dann nach Amberg, am 19. März weiter nach Daunen,
Schmiedmühlen nach Regensburg (Heimat). Schon seit zwei Tagen trat
Schneeschmelze und Tauwetter ein, so daß stellenweise es schwer war,
durchzukommen. Dies besonders am Regen entlang, wo demselben von den
Bergen herunter gewaltige Wassermengen zuflossen. Das kommende schöne
Wetter belebte mich mit neuer Hoffnung auf Arbeit und ich beschloß
daher, mich wieder Nürnberg zuzuwenden. Den nächsten Weg dahin
einschlagend ging es über Hemmau. Mit gutem Humor strebte ich dann
weiter meinem gesteckten Ziele entgegen. Nach starkem Marsch kam mir eine
Stadt in Sicht, das war Neumarkt, Oberpfalz, wo ich das Glück hatte,
Arbeit zu finden und gute Aufnahme fand, eine Tagreise von meinem
gesteckten Ziel. Viele Jahre sind seitdem hingegangen, in Freude, doch
mehr - im Leid. Im Sturm bin ich Mann geworden und Furchen grub die
schwere Zeit. Matthä Hofmann."
© Südkurier, 1982
|